
- 27. Mai 2021 von Chef-Sache
- CHEF-Magazin
Wer ein Projekt mit Crowdfunding erfolgreich finanziert, hat nach Abschluss der Aktion nicht nur Geld auf dem Konto. Mit dieser Art der Finanzierung fliegt einem auch viel gute Energie aus der Community zu – so wie dem Trübli-Team.
Das Trübli in der Winterthurer Altstadt ist seit dem 22. Dezember zu, wie viele andere Restaurants. Und wie vielen anderen stand Alexander Bindig das Wasser lange bis zum Hals. Da er sein Casual-Fine-Dining-Lokal erst im April 2019 eröffnete, war ihm früh klar, dass er nur mit wenig staatlicher Unterstützung rechnen konnte. Und so ersann er sich einen anderen Rettungsanker: «Viele unserer Stammgäste haben nach dem ersten Lockdown immer wieder angedeutet, dass sie uns unterstützen würden, sollten wir Hilfe brauchen.»
Andere um Geld zu bitten, sei ihm zwar gegen den Strich gegangen, sagt der Gastgeber. Aber da er seinen Lebenstraum vom Untergang bedroht sah, sprang Bindig über seinen Schatten und startete Ende Dezember auf Gofundme die Crowdfunding-Aktion «Rettet unser Trübli».
40 000 FRANKEN IN VIER TAGEN
Schon drei Tage nach dem Start der Kampagne war weit über die Hälfte des Spendenziels von 40 000 Franken erreicht, ein Tag später der gesamte Betrag. Bis zum Ablauf der zweiwöchigen Projektlaufzeit waren auf der Plattform sage und schreibe 72 000 Franken zusammengekommen. Plus weitere 13 000 Franken Spenden direkt ans Restaurant. «Wir sind überwältigt von der grossen Solidarität unserer Gäste und hoffen, sie bald wieder bewirten zu können.»
Wie sehr Corona die Solidarität befeuert, weiss auch Céline Fallet von Wemakeit. Auf der grössten Schweizer Crowdfunding-Plattform sind im vergangenen Jahr 11 Millionen Schweizer Franken umgesetzt worden, 30 Prozent mehr als 2019. Viel davon für Solidaritätskampagnen, die im März klassische Kampagnen vorübergehend verdrängten. «Interessant ist auch, dass die Leute mehr spendeten und die Zielsummen oft in kürzester Zeit erreicht waren.»
CROWDFUNDING BRINGT MEHR ALS GELD
Wie sich Crowdfunding nach Corona weiterentwickelt, ist laut Fallet schwierig abzuschätzen. Aber: «Dieses Jahr hat gezeigt, dass es ein nützliches Tool ist, um in Krisensituationen schnell zu einer Finanzierung zu kommen und Notsituationen zu überbrücken, ohne lange auf Hilfe warten zu müssen.» Ausserdem erhalte man dabei nicht nur Geld, «sondern eine ganze Community». So wie das Trübli in Winterthur.
Text: Michaela Ruoss
Fotos: ZVG
BUZZWORD: CROWD-FUNDING
WAS IST CROWDFUNDING?
Eine Art der Finanzierung, bei der eine Gruppe Menschen ein Projekt finanziell unterstützt – in der Regel über Crowdfunding-Plattformen. Vier Arten: Crowddonation, Crowdsupporting, Crowdlending und Crowdinvesting. Unterschiede: v. a. in Form der Gegenleistung für die «Investoren».
WOHER KOMMT’S?
Aus Amerika. Die Freiheitsstatue gilt als weltweit erstes Crowdfunding-Projekt. Ihr Aufbau war 1885 akut gefährdet. Darum rief Verleger Josef Pulitzer zum Spenden auf. So kam das fehlende Geld zusammen. Gegenleistung: Alle 120 000 Spender wurden in einer Zeitung erwähnt.
WIE FUNKTIONIERT’S?
Die Initianten beschreiben ihre Idee auf einer Crowdfunding-Plattform – mit Videos, Bildern und Texten. Sie nennen Finanzierungsziel, Laufzeit und Gegenleistungen für die Unterstützung. Ist das Ziel erreicht, erhalten die Initianten das gesammelte Geld und legen los.
WELCHE PLATTFORMEN GIBT’S?
In der Schweiz gibt’s rund 40 Crowd-funding-Plattformen. Zu den bekanntesten zählen Wemakeit, Crowdify und Lokalhelden. Sie unterscheiden sich vor allem bez. Ausrichtung, Reichweite und Zielgruppen. Die Wahl der passenden Plattform nimmt viel Zeit in Anspruch.
WAS BRAUCHT’S?
Erfolgreich sind laut Céline Fallet (Wemakeit) Projekte, bei denen es um etwas Fassbares geht. Wichtig: klares Konzept, gutes Storytelling, spannende Gegenleistungen. Zudem: Die Menschen hinter dem Projekt sollen sichtbar sein. Crowdfunding ist auch Vertrauenssache.
WAS BRINGT’S?
Crowdfunding basiert auf Geben und Nehmen, im Unterschied zu Spenden. «Investorinnen und Investoren» erhalten eine Gegenleistung, deren Form dem Projekt angepasst ist. Oft sind sie nach Höhe der Spende gestaffelt. Wer mehr zahlt, erhält mehr zurück.